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ÖZZ Ausgabe 1/2025

jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig. Ein frisch

verursachter Defekt ohne weiteren Bezug zum Wurzelkanal-

system kann direkt, also vor der Fortführung der Wurzelkanal-

behandlung, gedeckt werden. Wurde beispielsweise bei der

Kanalsuche unter aseptischen Bedingungen der Pulpakammer-

boden perforiert, kann der Defekt direkt wieder verschlossen

werden. Wird der Defekt mit CaSi-Zement gedeckt, ist es ent-

scheidend, das Verschlussmaterial mit einemweiterenMaterial

abzudecken, um ein Auswaschen bei der Weiterbehandlung zu

verhindern. Hierfür eignen sich selbstadhäsive Komposit- oder

lichthärtende Glasionomer-Zemente. Stehen in der Praxis kei-

ne geeigneten Materialien zur Verfügung, um einen adäquaten

Perforationsverschluss durchführen zu können, sollte derDefekt

mit einem sterilen Teflonband abgedeckt und der Zahn bakte-

riendicht verschlossen werden. Die weitere Versorgung sollte

zeitnah erfolgen (in den folgenden Tagen). Eine Perforation, die

einige Tage zuvor unter unbekannten Umständen verursacht

wurde, sollte vor dem Verschluss erst eine gewisse Zeit desin-

fiziert werden (s. hierzu Fallbeispiel 1). Die Deckung des Defekts

kann in einer solchen Situation nach Abschluss der primären

Aufbereitung aller Kanalsysteme am Ende des Behandlungs-

termins vorgenommen werden.

Alte Perforationen: Bei alten Perforationen liegt häufig eine

komplexere Ausgangssituation vor. Es muss von einer Infektion

der angrenzenden Gewebestrukturen ausgegangenwerden, da-

her ist dieDesinfektion entscheidend für den Behandlungserfolg.

Nicht selten sind Fremdmaterialien im Bereich der Perforation

vorhanden (zumBeispiel Füllungsmaterialien, Guttapercha,Wur-

zelstifte oder Zahnbruchstücke); diese müssen entfernt wer-

den. Unter Umständen ist Granulationsgewebe in den Defekt

eingewachsen. Bei alten infizierten Perforationen ist mit einer

Osteolyse des Knochens zu rechnen, damit fehlt dasWiderlager

für das Verschlussmaterial.

Die Desinfektion des Perforationsdefekts und die kontrollierte

Auflösung von Granulationsgewebe erfolgen mit Natriumhypo-

chlorit. Der gewebeauflösende Effekt kann durch Verdünnen

mit Kochsalzlösung gesteuert werden. Grundsätzlich ist zu

empfehlen, Zähne mit älteren Perforationen und angrenzender

Osteolyse des Knochens zweizeitig zu behandeln. Durch einen

Zeitabstand von vier bis acht Wochen besteht die Möglichkeit,

dass sich ein Heilungsgewebe bildet; dieses kann alsWiderlager

für den Perforationsverschluss genutzt werden (siehe hierzu

Fallbeispiel 2). Ist nicht ausreichend stabiles Gewebe vorhanden,

kann ein Widerlager mithilfe von kleinen Kollagenschwämm-

chen geschaffen werden. Die Kollagenschwämmchen werden

unter Einsatz eines sterilen Pluggers stückweise in den Defekt

eingebracht.

Große Perforationen: Je größer eine Perforation, umso größer

ist die Wundfläche und umso wahrscheinlicher ist eine Blutung

aus der parodontalenWunde. Wichtig ist in solch einem Fall die

Wahl eines Applikationssystems, das ein zügiges Aufbringen

größerer Materialportionen erlaubt, um den Defekt schneller

auffüllen zu können. Zu viel Feuchtigkeit aus dem Parodontal-

gewebe kann während der Applikation von MTA mithilfe abge-

schnittener steriler Papierspitzen entzogen werden, wodurch

das MTA im Defekt stabilisiert wird.

Perforationen in unterschiedlicher Lokalisation: Die Lokalisa-

tion von Perforationen lässt sich grob in folgende vier Bereiche

einteilen:

1. Bereich der Pulpakammer

2. koronales Wurzeldrittel

3. mittleres Wurzeldrittel

4. apikales Wurzeldrittel

Je weiter apikal eine Perforation liegt, umso schwieriger wird

es, den Defekt unabhängig von der Wurzelfüllung separat zu

verschließen.

Bereich der Pulpakammer

Perforationen im Bereich der Pulpakammer entstehen in der

Mehrzahl der Fälle bei der Suche nach Kanaleingängen. Die Pro-

blematik in diesemBereich ist die Nähe zum epithelialen Ansatz

(„kritische Zone“), da ein erhöhtes Kontaminationsrisiko durch

Bakterien aus der Mundhöhle besteht.

Sind Perforationen im Bereich der Pulpakammer knöchern be-

grenzt, können sie mit einer guten Prognose versorgt werden.

Der Perforationsverschluss im oberen Zahnbereich ist unter

Umständen sogar nur mithilfe einer Lupenbrille (ohne Einsatz

eines Operationsmikroskops) möglich, da dieser Bereich voll-

ständig einsehbar ist. Zu beachten ist, dass die Kanaleingänge

nicht durch das Verschlussmaterial blockiert werden. EineMög-

lichkeit zur Freihaltung von Kanaleingängen ist der Einsatz von

Kanalprojektoren: Guttapercha-Stifte mit möglichst großer Ko-

nizität werden so zurechtgeschnitten, dass sie die Kanalöffnung

komplett abdecken und einige Millimeter herausragen. Diese

können dann von Verschlussmaterial umschichtet werden. Nach

Aushärtung (beim Folgetermin) können die Guttapercha-Stifte

herausgezogen werden, und es liegt eine fertig ausgeformte

primäre Zugangskavität in das betroffene Kanalsystem vor.

Koronales und mittleres Wurzeldrittel

Im koronalen und im mittleren Wurzeldrittel werden Perfora-

tionen häufig durch eine unsachgemäße koronale Aufbereitung

(Strip-Perforationen, zum Beispiel durch Gates-Bohrer) oder

durch Stiftbohrungen verursacht. Die Gefahr für Strip-Perfo-

rationen ist aufgrund der anatomischen Beschaffenheit in der

mesialenWurzel von Unter- undOberkiefermolaren amgrößten.

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